Kostenausgleichsvereinbarung und Nettopolice: Zahlungspflicht für Lebensversicherungskunden (PrismaLife?)

Ab circa 2008 hat unter anderem der Liechtensteiner Versicherer: die Prisma Life AG (unter anderem über die Vertriebsgesellschaft Afina oder die AFA AG) mit ihren Kunden, d.h. ihren Versicherungsnehmern Rentenversicherungsverträge dergestalt abgeschlossen, dass neben dem Versicherungsvertrag, der sog. Nettopolice auch eine „selbständige“ sog. Kostenausgleichsvereinbarung getroffen wurde. Diese Kostenausgleichsvereinbarung stellt die Honorarforderung des Versicherungsvertreters/-beraters dar und soll nach dessen Willen auch dann zu bezahlen sein, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsvertrag an sich gekündigt hat. Damit sieht sich der Versicherungsnehmer bei einer frühzeitigen Kündigung des Versicherungsvertrags dem Problem ausgesetzt, dass er weitere Zahlungen auf Grund der Kostenausgleichsvereinbarung zu leisten hat.

Ist dies rechtens?

Grundsätzlich wird man auf Grund der Vertragsfreiheit davon ausgehen können, dass auch eine solche Vertragsgestaltung möglich ist. Und diese neben dem Versicherungsmakler auch dem –vermittler und –berater offen steht(vgl. ausführliche Auseinandersetzung damit: Prof. Dr. Reiff VersR 2012, 645).

Gesetzesverstoß?

Der Abschluss einer solchen selbstständigen Kostenausgleichsvereinbarung könnte aber gegen den 2008 neu gefassten § 169 VVG verstoßen. Auf Grund des bis dahin üblichen Verkaufs von Bruttopolicen und des dabei üblichen Abzugs der auch noch nicht getilgten Abschluss- und Vertriebskosten vom Rückkaufswert der Versicherung, wurde dies nun verboten. Hintergrund dieser neuen Regelung war, dass es in der Praxis bei einer frühen Kündigung, d.h. meist während der ersten zwei bis fünf Jahre, zu keiner Zahlung eines Rückkaufswertes kam, weil die bisherigen Zahlungen an die Versicherung fast komplett mit den Vertragskosten gegengerechnet wurden.
Der frühzeitig kündigende Versicherungsnehmer sollte bessergestellt werden. Auch damit nicht alleine diese Anrechnungsmethode den Versicherungsnehmer davon abhielt, die Versicherung zu kündigen, wozu er ein Recht hat. Bei frühzeitiger Kündigung sollen dem Versicherer auch nur anteilige Vertragskosten zustehen und nicht schon gleich die vollen Vertragskosten unter Berücksichtigung des Gesamtwertes der Versicherung. Diese Neuregelung betrifft aber nur die Bruttopolice. Ist diese Regelung auch auf die Nettopolice anwendbar?

Umgehungsverbot?

Fraglich ist, wie § 169 Abs.5 S.2 VVG zu verstehen ist. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/3945 S. 53) heißt es: „Die Regelung schließt nicht aus, dass eine gesonderte Vereinbarung über die Zahlung der Abschlusskosten getroffen und nicht gezillmert … wird. Wird eine gesonderte Vereinbarung getroffen und nicht verrechnet, ist allein schon dadurch volle Transparenz hinsichtlich der Höhe der Abschlusskosten hergestellt.“ (Anmerkung: Bei der Zillmierung werden die bereits angefallenen, aber noch nicht getilgten Abschlusskosten in der Versicherung berücksichtigt.) Damit sind wohl grundsätzlich separate Kostenausgleichsvereinbarungen keine Umgehung des Abzugsverbots und damit zulässig. Auch wenn teilweise in der Rechtsprechung die Ansicht vertreten wird, dass die Kostenausgleichsvereinbarungen schon wegen Umgehung gemäß § 134 BGB nichtig sind (LG Gera, Urteil vom 30.01.2013-1 S 133/12; LG Cottbus, Urteil vom 20.06.2012-1 S 142/11). Jedoch sollen bei einer Nettopolice, auf Grund der daneben stehenden Kostenausgleichsvereinbarung dem Versicherungsnehmer ja gerade die anfallenden Kosten verdeutlicht werden. Wenn er dennoch trotz der hohen Kosten die Versicherung abschließt, ist dies seine individuelle Entscheidung.

Transparenzgebot! Aufklärungspflicht aus Treu und Glauben

Jedoch muss, wenn man von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Kostenausgleichsvereinbarung ausgeht, diese wie ausgeführt auch dem Transparenzgebot wirklich entsprechen. Das heißt, es muss für den Kunden/Versicherungsnehmer auch deutlich und klar erkennbar geworden sein, dass Abschlusskosten in Höhe von (Betrag X) entstanden sind und dass diese unabhängig vom Schicksal des zugrunde liegenden Vertrages anfallen. Dabei ist es auch nötig, um dem Transparenzgebot genügend zu entsprechen, dass zwei wirklich gesonderte Verträge geschlossen werden.
Dies ist in der Praxis meist nicht der Fall. So erfolgt in der Praxis meist eine Vermengung der Verträge, meist auch mit einheitlichem Formularblatt und bei Herabsetzung der Versicherungsprämie für die Zeit der Kostenausgleichszahlung und erst späterem Eintrag der Kosten.
Nach den Erfahrungen die Rechtsanwalt Reime bisher gemacht hat, ist es in den allermeisten Fällen für den Kunden gerade nicht erkennbar gewesen, dass die Zahlungsverpflichtung auf Grund der Kostenausgleichsvereinbarung auch bei Kündigung des Versicherungsvertrages weiter bestehen soll. Die Intransparenz beruht also meist darauf, dass dem Versicherungsnehmer nicht klar gemacht wird, dass er trotz Kündigung des Versicherungsvertrages weitere Forderungen aus der Kostenausgleichsvereinbarung zu begleichen hat. Und diese sogar den Rückkaufswert der Versicherung übersteigen können, so dass er Gefahr läuft, im Frühkündigungsfall mit offenen schulden dazustehen (sog. Nettoschuldenfalle). Es reicht für die Umsetzung des Transparenzgebotes gerade nicht, dass der Versicherungsnehmer diese Gefahr selbst ermitteln könnte (LG Berlin, Urteil vom 201.11.2011 – 7 O 286/10). Damit ist meist keine transparente Regelung gegeben, so dass die Kostenausgleichsvereinbarung zumindest deshalb unwirksam ist.

Folge:

Auf Grund der Unwirksamkeit der Kostenausgleichsvereinbarung oder auf Grund der aus der Intransparenz der Regelung folgenden weitergehenden Aufklärungspflicht des Versicherungsvermittlers, besteht kein weiterer Zahlungsanspruch aus der Kostenausgleichsvereinbarung. Damit steht der Versicherung auch kein Recht zur Gegenrechnung mit dem auszuzahlenden Rückkaufswert zu, so dass der Versicherungsnehmer meist noch einen Zahlungsanspruch hat.

Bruttopolice problemloser!

Vor dem hauptsächlichen Vertrieb dieser Nettopolicen durch z.B. Prisma Life AG wurden auch von dieser hauptsächlich sog. Bruttopolicen verkauft. Diese stellen gesamtbetrachtend auch nach wie vor den weitaus größeren Anteil bei den Versicherungen dar. Bei diesen handelt es sich um solche Policen, wo die Vergütung für den Anlageberater, -vermittler mit in die Zahlung des Anlagekunden als Versicherungsnehmer einkalkuliert wurde. Das heißt die (Brutto-)prämie besteht aus der Nettoprämie und den Abschluss- und Einrichtungskosten. Seit dem 1.1.2008 ist nach § 169 Abs. 5 S.2 VVG die Vereinbarung eines Abzugs für noch nicht getilgte Abschluss- und Vertriebskosten unwirksam. Damit ist bei den Bruttopolicen eindeutig kein weiterer Kostenanteil zu zahlen. Problematisch sind hier nur die Fälle, wo ein Versicherungsabschluss vor 2008 lag. Aber auch hier kann ein versierter Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht meist weiterhelfen. Wurden die Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über die mit der Anlage (meist eine Versicherung welche in Fonds investiert) verbundenen Risiken oder Kosten aufgeklärt, ergeben sich Schadenersatzansprüche gegen den Vertrieb und/oder die Versicherung. Allerdings ist hier gegebenenfalls die Höchstverjährungsfrist von 10 Jahren zu beachten, so dass Anleger die 2003 ihren Versicherungsvertrag abgeschlossen haben, umgehend anwaltlichen Rat einholen sollten.


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