In der Wohngebäudeversicherung fehlt es an einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung der dem Versicherungsnehmer auferlegten Obliegenheit, die Schadenstelle bis zu einer Freigabe unverändert zu lassen, wenn der Versicherer in seiner Schadenanzeige dazu auffordert, die Schadenstelle möglichst bis zu einer Besichtigung unverändert zu lassen – und eine Besichtigung durch einen Versicherungsvertreter erfolgte.
Dies soll an einem Fall, welchen das OLG Saarbrücken mit Urteil vom 19.09.2012 – 5 U 68/12 entschied, erläutert werden. Der Versicherungsnehmer einer Wohngebäudeversicherung unter Einschluss von Elementarschäden, für unter anderem durch Schneedruck entstandene Schäden, informierte den Versicherungsvertreter darüber, dass das Vordach des Gebäudes durch drückende Schneelasten beschädigt sei. Dadurch sei es auch in dem darunterliegenden Raum zu Schäden durch eindringendes Wasser gekommen. Der Versicherungsvertreter hat daraufhin das Gebäude mit dem Schaden besichtigt und Fotos gemacht. Dabei hat er auch die schriftliche Schadenanzeige des Versicherungsnehmers aufgenommen. Unter „Vereinbarung mit dem Kunden“ wurde festgehalten, dass eine Besichtigung des Schadens erfolgt ist und ein Kostenvoranschlag für Dach und Tapezierarbeiten folgt. Erst circa 3 Wochen später übermittelte der Versicherungsvertreter diese Schadenanzeige zusammen mit dem Kostenvoranschlag an die Versicherung. Daraufhin wollte die Versicherung noch ein Sachverständigengutachten anfertigen lassen. Dieses war aber auf Grund des mittlerweile begonnenen Dachumbaus nicht mehr möglich.
Wo ist das Problem? Die Versicherung berief sich hier darauf, dass sie auf Grund einer Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers leistungsfrei geworden sei. Damit würde der Versicherungsnehmer auf seinem Schaden sitzenbleiben. Die Obliegenheitsverletzung sah diese darin, dass der Versicherungsnehmer vor der Freigabe durch die Versicherung die Schadenstelle verändert hatte. Gemäß den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen oblag dem Versicherungsnehmer die Obliegenheit: „…das Schadenbild so lange unverändert zu lassen, bis die Schadenstelle oder die beschädigten Sachen durch den Versicherer freigegeben worden sind…“. Da eine solche Freigabe hier nicht erfolgte, könnte eine Obliegenheitsverletzung zu bejahen sein.
Diese müsste vom Versicherungsnehmer aber vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt worden sein. Da diese vertragliche Obliegenheit jedoch durch die Schadenanzeige verändert wurde, wonach der Versicherungsnehmer die Schadenstelle möglichst so lange unverändert zu lassen hat, bis eine Besichtigung erfolgte, konnte der Versicherungsnehmer nicht mehr darüber im Klaren sein, was nun von ihm verlangt wird. Vielmehr konnte er durch den Zusammenhang mit dem Schadensereignis eher davon ausgehen, dass mit der Besichtigung durch den Versicherungsvertreter und den gemachten Fotos der Obliegenheit genügt wurde. Selbst dem Versicherungsvertreter war nicht klar, dass die Versicherung eine weitere Schadenaufnahme durch einen Sachverständigen für erforderlich halten würde. Der Versicherungsnehmer konnte somit davon ausgehen, dass er alles getan hat, um den Versicherungsfall nachzuweisen und der Versicherung die Überprüfung ihrer Eintrittspflicht zu ermöglichen. Insofern ist keine vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung der Obliegenheit gegeben.
Vielmehr hätte hier der Versicherer, auch auf Grund weiterer drohender witterungsbedingter Schäden, den Versicherungsnehmer darauf hinweisen müssen, dass die Schadenstelle weiterhin unverändert zu lassen ist. Da er dies nicht getan hat und somit dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit genommen hat, den Eintritt des Versicherungsfalles durch ein Sachverständigengutachten mit letzter Sicherheit zu beweisen (da das Dach neu konstruiert wurde), greifen für den Versicherungsnehmer Beweiserleichterungen (BGH, Urteil vom 28.6.2012 – IX ZR 219/10). Danach muss dieser zwar Beweis erbringen, dass der Versicherungsfall eingetreten ist. Dies kann er aber im Regelfall durch Zeugen erbringen. Hier sprachen die Umstände, dass das Dach mit hohen Schneelasten bedeckt war, optisch eine Ecke des Daches runtergedrückt aussah und frische Wasserschäden vorgefunden wurden, dafür, dass ein Versicherungsfall vorlag. Dass jede andere Ursache zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann, ist für den Nachweis des Versicherungsfalls sowieso nicht erforderlich. Und es genügt auch die Mitursächlichkeit des Schneedrucks für den Eintritt des Schadens. Der Versicherer hätte somit letzte Zweifel am Vorliegen eines Versicherungsgrundes verstärken und somit den Eintritt des Versicherungsfalls als ungewiss erscheinen lassen müssen. Dies hat er gerade nicht getan. Damit lag ein eintrittspflichtiger Versicherungsfall vor und gerade keine vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung einer Obliegenheit.
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