Gebäudeversicherer muss zahlen: BGH - Urteil vom 12.10.2011, Az.: IV ZR 199/10, Obliegenheitspflichtverletzung des Versicherungsnehmers kann vom Versicherer mangels Anpassung an aktuelle Gesetzeslage nicht geltend gemacht werden

Am 1.01.2008 ist das neue VVG (Versicherungsvertragsgesetz) in Kraft getreten. Der Gesetzgeber hat den Versicherern aufgegeben, für Versicherungsverträge die bis zum 1.01.2008 (Altvertrag) entstanden waren, ihren AVB (Allgemeine Versicherungsbedingungen) bis zum 1.01.2009 an das neue Recht anzupassen.

Von dieser Möglichkeit hatte der verklagte Versicherer keinen Gebrauch gemacht. Da der Versicherungsnehmer in einem leerstehenden Haus in der Frostperiode ab dem 1.01.2008 die Wasserleitungen nicht leerte, kam es zu Leitungswasserschäden. Der Versicherer regulierte nur zur Hälfte unter Hinweis auf die Verletzung von vertraglichen Obliegenheiten nach §28Abs.2, S.2 VVG neuer Fassung, trotz des Altvertrages.

Im Versicherungsvertrag war demnach für den Fall der Verletzung einer Obliegenheitspflicht immer noch noch das alte "Alles oder Nichts - Prinzip" verankert gemäß §6 VVG alter Fassung.

Der BGH stellte fest, dass die alte Regelung unwirksam sei wegen Verstoss gg. das neue Recht und sich eine Vertragsanpassungsmöglichkeit auch nicht aus dem neuen §28 Abs. 2 S. 2 VVG ergeben kann, weil dieser eine wirksame vertragliche Regelung voraussetze.
Der Versicherer konnte sich daher nicht bei seiner Leistungskürzung auf das neue Recht berufen, er hatte die Anpassungsmöglichkeiten schlichtweg verstreichen lassen und handelte daher ohne Rechtsgrundlage.

Der Rechtsstreit war damit jedoch noch nicht beendet, weil das OLG Köln keine ausreichende Feststellungen zum möglichen Ausschlussgrund der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles getroffen hatte, verwies der BGH die Sache zur erneuten Entscheidung durch dieses Berufungsgericht zurück.

Fazit:
Einmal mehr zeigen sich hier die Tücken im Massengeschäft der Versicherer - viele haben schlichtweg zeitlich nicht geschafft, ihre Bedingungen anzupassen - dies kann sich nunmehr nachteilig auswirken zu Lasten des Versicherers. Der Versicherungsnehmer muss keineswegs die ablehnende Haltung seines Versicherers hinnehmen.
Neues den Versicherungsnehmer begünstigendes Recht im VVG entzieht den schlechteren Regelungen in Altverträgen die Rechtsgrundlage. Wurden Verträge nicht fristgerecht bis 1.01.2009 angepasst, sind schlechtere Altregelungen unwirksam und können daher nicht mehr zum Nachteil der Versicherungsnehmer geltend gemacht werden.
Jens Reime - Anwalt für Bank- & Kapitalmarktrecht

Rechtsanwalt Jens Reime
VCF Card downloaden

Artikel als PDF downloaden

Zurück