Erfolgsserie vor Land- und Amtsgericht Würzburg in 2019: Betrogene Anleger der insolventen CSA5 gewinnen gegen die betrügerischen Geschäftsführer Schadenersatz in Az. 92 O 1662/18; 17 C 245/18; 43 S 1328/19; 17 C 1987/18; 17 C 2894/18; 94 O 1952/18

Die Kläger machten mit den Klagen gegen die Geschäftsführer Schadensersatzansprüche wegen der Veruntreuung von Anlagegeldern aus unerlaubten Handlungen gemäß §823Abs. 2 BGB i.V.m. §§266, 263 StGB geltend. Die Kläger beteiligten sich vor mehr als 10 Jahren an der Capital Sachwert Verwaltungs AG 5. Hierbei handelte es sich um eine Fonds- bzw. Anlagegesellschaft, an der sich weitere tausend Kommanditisten über eine Treuhänderin beteiligten. Die Zeichnungssummen sollten über monatliche Zahlungen über Jahre erbracht werden.     Die Gerichte folgten, jedenfalls für einen Schadensersatzanspruch aus §823 Abs.2 BGB i.V. mit §263 StGB, den Feststellungen des Landgerichts Würzburg in vorausgegangenen Strafverfahren 5 Kls 721 Js 5413/16 und 5 Kls 721Js11479/13 und den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in den Revisionsentscheidungen vom 08.03.2017 (BGH, Beschluss vom 08.03.2017 - BGH Aktenzeichen 1 StR 540/16 und BGH Beschl. v. 8.3.2017 -1 StR 466/16).   Über die spektakuläre Razzia samt Verhaftungen im Betonei von Nürnberg sowie in den Privathäusern der Geschäftsführer am 19.12.2014 berichtete u.a. die Mainpost(.de) mehrfach.    

Besonderheiten / Verallgemeinerungsfähiges  

1.         Strafrechtlich angeklagt und ausgeurteilt wurden nur die Schäden, welche die Anleger durch die Zahlungen ihrer Raten von 2009 bis 2014 erlitten. Richtigerweise konnten demzufolge auch nur die Raten vor den Zivilgereichten eingeklagt werden.   An dieser Stelle versagte schon eine Vielzahl von „Anlegeranwälten“, weil sie fälschlich die gezahlten Zeichnungssummen - Raten wie auch Einmalanlagen - vor dem Jahr 2009 durch Schadensersatzklagen ab dem Jahr 2016 geltend machten gegen mehrere Betrüger mit oder ohne(!) Rechtsschutzversicherungen, wie man von den gegnerischen Kollegen hören konnte. Man kann nur hoffen, dass diese Anwälte nicht von den Rechtsschutzversicherern der betrogenen Anleger empfohlen wurden. Wir verzichten generell auf Kooperationen mit Rechtsschutzversicherern und vermeiden auf dieses Weise gravierende Interessenkonflikte zu Lasten der Anleger. Hingegen übernehmen wir gern Mandate von Kolleginnen und Kollegen, für die diese Spezialmaterie nicht alltäglich ist.  

2.         Die Pflichtverletzungen der betrügerischen Geschäftsführer im Zeitraum 2009 bis 2014 begründeten die Zivilgerichte auf Basis der dazu ergangenen BGH-Entscheidung zur Garantenstellung dieser Geschäftsführer am 8.03.2017 in  1 StR 540/16. Der BGH formulierte:  

bb) Auf der Grundlage dieser für sämtliche unechten Unterlassungsdelikte geltenden Anforderungen ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass eine Strafbarkeit wegen Betrugs durch Unterlassen entweder als Täter oder als Teilnehmer für alle Personen in Frage kommt, die eine von § 13 Abs. 1 StGB erfasste Pflicht zur Aufklärung anderer über vermögensrelevante Tatsachen haben. Die strafbarkeitsbegründende Pflicht zur Aufklärung eines Dritten über vermögensrelevante Umstände kann dabei aus verschiedenen Gründen herrühren. Unabhängig vom Entstehungsgrund muss die Pflicht stets darauf gerichtet sein, unrichtigen oder unvollständigen Vorstellungen des Getäuschten über Tatsachen, die zu einer Vermögensschädigung führen können, durch aktive Aufklärung entgegenzuwirken.  

Die Garantenstellung ergab sich aus zwei Gründen (nicht kumulativ) lt. BGH:  

Den Anlegern war weder bei Eingehen der Beteiligung noch während der Zeiträume der Erbringung der Anlagebeiträge bekannt, in welcher konkreten Weise die Anlagemittel durch die jeweils für die Fondsgesellschaften handelnden Personen eingesetzt werden würden. Sie waren daher in besonderer Weise darauf angewiesen und normativ berechtigt, darauf zu vertrauen, dass die für die Fondsgesellschaften Handelnden die angelegten Gelder lediglich im Rahmen der mit dem Beitritt zu den Gesellschaften verfolgten, in den Emissionsprospekten benannten Zwecke der Altersvorsorge und des langfristigen Vermögensaufbaus einsetzen würden. Insoweit wohnt den gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen der hier fraglichen Formen auch ein Beratungselement inne, bei dem der einzelne Anleger den Sachverstand der das Anlageprojekt auflegenden und verwaltenden (natürlichen) Personen in Anspruch nimmt. Verträge mit Beratungscharakter sind als Grundlage von betrugsstrafrechtlich bedeutsamen Aufklärungspflichten akzeptiert. … Zudem gründet sich – wie das Landgericht ebenfalls ohne Rechtsfehler angenommen hat – die Aufklärungspflicht des Angeklagten auch auf vorangegangenes gefährdendes Tun (Ingerenz) in Gestalt der Begehung von Untreuetaten (§ 266 StGB) zum Nachteil der Fondsgesellschaften C. 4 und C. 5 sowie ihrer Anleger    

In unseren Zivilurteilen in Würzburg hieß es dann:  

cc) Erfolgt eine solche Täuschung durch die Betreiber des Anlagemodells nicht bereits vor der Anlageentscheidung, sondern entschließen sich diese erst nach dem Zeichnen der Beteiligung durch die Anleger dazu, dem Fondsvermögen Kapital in erheblichem Umfang zu eigenen Zwecken zu entziehen und heben damit die bisherigen Zwecke der Anlageform auf, stellt sich für die betroffenen Anleger jedenfalls dann keine andere Situation als vor der ursprünglichen Anlageentscheidung dar, wenn sie durch die ratenweise Erbringung immer wieder auf der Grundlage vermeintlich unveränderter, für das Verbleiben in der Anlage relevanter Umstände Vermögensverfügungen treffen. Die Pflicht zur Erteilung von Informationen über die in den Veruntreuungen zu Lasten des Fondsvermögens liegenden, veränderten Umständen trifft zumindest bei der hier vorliegenden Fallgestaltung diejenigen, die die Veränderung in ihnen zurechenbarer Weise herbeigeführt haben. Dies entspricht der dargestellten Wertung bei der Verantwortlichkeit für eine Garantenpflicht aus Ingerenz aufgrund objektiv täuschenden Vorverhaltens. Die so ausgelöste Garantenpflicht zur Aufklärung der Anleger trifft alle Beklagten als an den Untreuetaten strafbar Beteiligte, soweit sie nicht ohnehin als Vertretungsorgane der betroffenen Fondsgesellschaften einer Aufklärungspflicht unterlagen (BGH Beschl. v. 8.3.2017 - 1 StR 466/16, BeckRS 2017, 110955, beck-online ).    

Auf Deutsch: Weil die Beklagten Geschäftsführer des Fonds waren und weil sie begonnen hatten die Raten der Kläger zu veruntreuen, waren sie in der Pflicht, dies den Anlegern mitzuteilen. Hätten die Kläger jedoch hiervon erfahren, hätten sie diese nicht gezahlt. Jetzt mussten die gezahlten Raten nur noch den richtigen Betrügern zugeordnet werden, je nachdem wann sie Geschäftsführer waren.  

3.         Die nächste Hürde bestand darin, den Würzburger Richtern die BGH–Entscheidung II ZR 66/18 näher zu bringen. Da die Betrüger gleichzeitig ja auch das Vermögen der Fondsgesellschaft schädigten, ging man ein ganze Zeitlang davon aus, dass nur der Insolvenzverwalter des Fonds berechtigt wäre nach §92 InsO diese Zivilprozesse wegen angeblichen Gesamtschadens zu führen und eben nicht die Anleger mit ihren Individualschäden. Der Kanzlei Reime gelang es, dem Amts- und Landgericht die Rechtslage zu verdeutlichen. Schließlich stellte der BGH am 18.12.2018 klar:  

Begründet ein Gesellschafter seinen Schaden damit, er hätte die monatlichen Zahlungen auf die Einlage eingestellt, wenn er nicht betrogen worden wäre, macht er einen Einzelschaden geltend.   Auch im Falle gleichzeitig insolventer Fondsgesellschaften, sind die Anleger daher berechtigt, gegen die Betrüger zu klagen.    

4.         Die Gerichte ließen auch nicht die Ausrede gelten, dass die Kläger die Raten sowieso aufgrund ihrer Beteiligungsverträge an die Fonds hätten zahlen müssen. Im Zuge dieser Ausführungen ist hochinteressant, welche Rechte Anleger gegenüber Fondsgesellschaften haben deren Geschäftsführer zu Betrügern werden bzw. von Anfang an waren:  

a) Soweit die Beklagten vortragen lassen, dass die Klage unbegründet sei, da die Klagepartei auch nach einer Aufklärung über die Untreuehandlungen zu einer Weiterzahlung der Raten verpflichtet gewesen sei und ihr folglich aus der unterbliebenen Aufklärung über die Untreuehandlungen kein Schaden entstanden sein könne, überzeugt diese Sichtweise nicht. aa) Zum einen ist es gerichtsbekannt, dass seitens der CSA-Verwaltung Kündigungen von Anlegern bzw. die schlichte Verweigerung weiterer Ratenzahlungen stillschweigend akzeptiert wurden und jedenfalls auf eine gerichtliche Auseinandersetzung mit diesen Anlegern verzichtet wurde, um eine gerichtliche Prüfung der Vorgänge zu vermeiden. Hierzu und deswegen gab es beim Landgericht Würzburg auch zahlreiche Vergleichsabschlüsse mit den ausscheidenden Kapitalanlegern.

bb) Zum anderen geht das Gericht von einem Sonderkündigungsrecht der geschädigten Anleger Jedenfalls vor Eintritt der Insolvenz der Fonds) aus. (1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NZG 2015, 674) setzt das - unentziehbare - Recht zur außerordentlichen Kündigung allerdings voraus, dass dem Kündigenden nach Lage des Falls eine Fortsetzung der Gesellschaft bis zum Vertragsende oder zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin nicht zugemutet werden kann, weil das Vertrauensverhältnis zwischen den Gesellschaftern grundlegend gestört oder ein gedeihliches Zusammenwirken aus sonstigen, namentlich auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr möglich ist. (2) Dem durch arglistige Täuschung zum Eintritt in eine Publikumsgesellschaft bewogenen Kommanditisten oder still Beteiligten steht ein Recht zum Ausscheiden durch Kündigung deshalb zu, weil das Interesse der zahlreichen Mitgesellschafter am Fortbestand ihrer Gesellschaft, die dem Getäuschten an sich zustehende Auflösungsklage verbietet, andererseits aber dem Getäuschten nicht zugemutet werden kann, gegen seinen Willen Mitglied einer werbenden Gesellschaft zu bleiben. Das ändert sich erst grundlegend, wenn die Gesellschaft schon vor der Kündigung aufgelöst wird. Für eine Auflösungsklage wäre dann kein Raum mehr. Erst damit entfällt auch ein rechtfertigender Grund, dem Getäuschten durch ein Kündigungsrecht einen Ersatz hierfür zu geben. Darüber hinaus verbietet es das Interesse an der reibungslosen und zügigen Liquidation, einem einzelnen Gesellschafter ein gesondertes Ausscheiden noch während des Auseinandersetzungsverfahrens zu gestatten. (3) Im Rahmen der vorliegenden Fallkonstellation führt die Anwendung dieser Grundsätze dazu, dass die Beteiligung der Klagepartei an der CSA 5 als stille Gesellschaft i.S.d. § 230 HGB anzusehen ist. Für derartige Beteiligungen verweist die Regelung des § 234 Abs.1 S.2 HGB hinsichtlich des Rechts, die Gesellschaft aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen, auf § 723 BGB. Nach § 723 Abs.1 S.3 Nr.1 liegt ein solcher wichtiger Grund insbesondere dann vor, wenn ein anderer Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit verletzt. Daher hätte die Klagepartei außerordentlich kündigen können. Ein solches Kündigungsrecht würde im Übrigen aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) folgen, weil es nicht hinnehmbar ist, dass bei einer unterstellten Aufklärung über fortgesetzte und weitere beabsichtigte Veruntreuungen, ein Kapitalanleger nicht außerordentlich kündigen kann, sondern ggf. auf ein sich bekanntermaßen hinziehendes Liquidationsverfahren verwiesen wäre und in dieser Zeit den Straftätern durch Ratenzahlungen weiter Kapital zur Verfügung stellen muss.   Daher hätte die Klagepartei außerordentlich kündigen können und die gleichwohl gezahlten Raten stellen ihren Schaden dar.    

Hätten die Kläger also von der kriminellen Absicht gewusst, hätten sie nicht nur nicht mehr gezahlt sondern auch noch eine fristlose Kündigung aussprechen können.    

Folgen

Da sowohl die Strafurteile bis zum BGH rechtskräftig als auch die Rechtsfrage rund um die  Rechte des Insolvenzverwalters der Fondsgesellschaften geklärt ist und erste ein Teil der Urteile bereits rechtskräftig sind, ist mit Rechtskraft aller Urteile zu rechnen. Diese können 30 Jahre vollstreckt werden.    

Weiterungen

Da gerade Ratenzahlermodelle unter Kapitalanlegern weit verbreitet sind, wird die Kanzlei Reime alles daran setzen, diese Rechtsprechung zur Garantenstellung durch weitere Urteile zu bereichern. Denkbar sind Pflichtverletzungen durch unterlassene Hinweise von Fondsgeschäftsführungen zu Insolvenzgründen an die Gesellschafter oder bilanzielle Überschuldungen (haben Auswirkung auf Auseinandersetzungsguthaben) oder nachträglich offenbar werdende Umstände(z.B. fristlose Kündigungenvon Anlegern wegen Falschberatungen bzw. Einstellungen der Ratenzahlungen), welche eine Zweckerfüllung der Fondsgesellschaft unmöglich machen. Die Verjährungsfristen fangen erst dann an, wenn die Geschäftsführer hätten handeln müssen. Liegt z.B die Zeichnung im Januar 2009 oder früher - also im verjährtrene Zeitraum - können zumindest die Raten innerhalb des Zehnjahreszeitraumes geltend gemacht werden.   Auf das Zeichnungsdatum außerhalb dieses Zeitraumes kommt es nicht an!    Entsprechend müssen auch Rechtsschutzversicherungen nicht zum Zeichnungszeitpunkt vorhanden sein. Der Versicherungsfall besteht im pflichtwidrigen Unterlassen der Aufklärung des Anlegers  durch den Pflichtigen Rate für Rate.

Jens Reime Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

Innere Lauenstraße 2 / Eingang Heringstraße 02625 Bautzen Tel. / Fax: 03591 29961 - 33 / - 44

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Jens Reime - Anwalt für Bank- & Kapitalmarktrecht

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