Kein Zwang zur Mediation und Anwaltswahlrecht

Klauseln in den Allgemeinen Rechtsschutzbestimmungen, wonach die Übernahme der Kosten für eine anwaltliche Beratung von der vorherigen Durchführung eines Mediationsversuchs abhängig ist, stellen eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar. Insbesondere, wenn der Rechtsschutzversicherer den Mediator selbst auswählt oder durch einen von ihr beauftragten Dienstleister auswählen lässt. Ein Ausgleich durch günstigere Versicherungskonditionen steht dem nicht entgegen.

Diese Quintessenz wurde von mehreren Gerichten erarbeitet:

LG Frankfurt a.M. 07.05.2014, 2-06 O 271/13

OLG Frankfurt a.M. 09.04.15, 6 U 110/14

BGH 04.12.2013 – IV ZR 215/12

EuGH 26.05.2011 – C-293/10

Durch die Vorgabe eines bestimmten Mediator und/ oder Rechtsanwaltes, schon durch die Pflicht ein Mediationsverfahren durchzuführen wird dem Versicherungsnehmer der Zugang zur kostenfreien anwaltlichen Beratung erschwert.

Rechtsschutzversicherung dienen dazu, den Versicherungsnehmer von den Kosten zu befreien, die mit der „Wahrnehmung (seiner) rechtlichen Interessen“ verbunden sind (§ 125 VVG). Eine sachgerechte Wahrnehmung der eigenen rechtlichen Interessen setzt aber zwingend die Kenntnis der Rechtslage einschließlich der sich daraus ergebenden Konsequenzen und Risiken für die Realisierung möglicher Ansprüche und Positionen voraus. Eine solche, an den Interessen des Rechtssuchenden ausgerichtete Rechtsberatung kann und soll ein Mediator jedoch gerade nicht leisten. Die Mediation ist ein strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mithilfe des sie durch das Verfahren führenden Mediators eigenverantwortlich eine einvernehmliche Lösung ihres Konflikts anstreben (§ 1 I, II MediationsG). Ein Mediationsversuch stellt daher keine „Wahrnehmung der rechtlichen Interessen“ im Sinne von § 125 VVG dar und kann insbesondere die Rechtsberatung durch einen Rechtsanwalt in keinem Fall ersetzen.

Vor der Mediation hat der Versicherungsnehmer keine realistische Einschätzung der rechtlichen Situation erhalten. Denn nur auf der Grundlage einer solchen lässt sich sinnvoll eine Entscheidung darüber treffen, ob und mit welchem Ergebnis eine Mediation angebracht erscheint, oder ob die Durchsetzung der eigenen Position mit rechtlichen Mitteln nicht doch der bessere Weg ist. Es besteht nämlich die greifbare Gefahr, dass er - nur um der einvernehmlichen Regelung willen - möglicherweise auf Ansprüche oder Positionen verzichtet, die ihm nach der insoweit klaren Rechtslage zustehen und die auch ohne weiteres durchzusetzen gewesen wären.

Zum Anwendungsbereich des § 127 VVG (i.V.m. § 129 VVG) – dem Recht auf freie Anwaltswahl – ist anerkannt, dass Versicherungsunternehmen den Rechtsanwalt nur vorschlagen und/oder vermitteln, nicht aber einseitig bestimmen dürfen. § 127 VVG ist „halbzwingend“, d.h. von ihr darf gemäß § 129 VVG nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

Zulässig lt. EuGH U.v. 26.05.2011 – C-293/10, ist, dass sich das Recht des Versicherungsnehmers auf freie Anwaltswahl nur auf Personen bezieht, die ihren Kanzleisitz am Ort des Gerichts oder der Verwaltungsbehörde haben. Darin lag nach Ansicht des EuGH keine Verletzung des Rechts auf freie Anwaltswahl.

Die Freiheit der Anwaltswahl schließt nicht jegliche Anreizsysteme des Versicherers hinsichtlich der vom Versicherungsnehmer zu treffenden Entscheidung aus, welchen Rechtsanwalt er mandatiert. Dies bedeutet kein gesetzliches Recht des Versicherers, den Rechtsanwalt auszuwählen, sondern eröffnet ihm lediglich die Möglichkeit, allgemeine Kriterien des Deckungsumfangs herauszuarbeiten. Im Rahmen des so festgelegten Leistungsumfangs steht dem Versicherungsnehmer die Auswahl des Rechtsanwalts frei. Eine unvollständige Deckung der Kosten oder Knüpfung eines Schadensfreiheitsrabattes an eine bestimmte Auswahl von Anwälten ist daher zulässig, sofern die freie Anwaltswahl nicht ausgehöhlt wird und damit eine angemessene Wahl des Vertreters faktisch unmöglich gemacht würde. Durch somit grundsätzlich zulässige finanzielle Anreize wird die Anwaltswahl des Versicherungsnehmers erst unfrei, wenn die Verbindung zwischen Anwaltswahl und finanziellem Anreiz die Grenze des unzulässigen psychischen Drucks überschreitet.

Maßgebend ist insoweit insbesondere, ob mögliche Auswirkungen auf den - in der Regel nicht konkret vorhersehbaren - nächsten Versicherungsfall bestehen. Diese setzen den Versicherungsnehmer weniger unter Druck als finanzielle Konsequenzen für den momentan zu deckenden Rechtsschutzfall. Die psychische Beeinflussung ist außerdem umso geringer, je kürzer sich der Verzicht auf den finanziellen Anreiz auswirkt. Der psychische Druck steigt dabei mit der Höhe des finanziellen Anreizes. Eine Entscheidung ist daher vom Einzelfall abhängig, ob und wie auf den durchschnittlichen Versicherungsnehmer einer Rechtsschutzversicherung ein rechtlich maßgeblicher psychischer Zwang ausgeübt wird. Ein bereits bestehendes oder nicht bestehendes Vertrauensverhältnis zu einem Anwalt kommt dabei ebenfalls zum Tragen, sowie ein möglicher Interessenkonflikt zwischen dem Wunsch des Versicherungsnehmers nach Durchsetzung seiner Rechte und dem Interesse des Versicherers an einer kostengünstigen Regulierung.

Sofern Rechtsschutzversicherungen ein einem Gerichtprozess vorgeschaltetes Mediationsverfahren vorsehen, kann letztlich nichts anderes gelten. Nach dem klaren Wortlaut des § 2 Abs. 1 MediationsG ist es dem Versicherer untersagt, anstelle der Parteien den Mediator auszuwählen.

 

Sollten auch Sie Probleme mit Ihrem Rechtsschutzversicherer haben oder überlegen, aus Ihrem Versicherungsvertrag herauszukommen oder diesen bereits gekündigt haben, sollten Sie Ihre Ansprüche durch einen Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht überprüfen lassen. Gegebenenfalls ist „mehr“ für sie drin.

Natürlich auch, wenn keine Rechtsschutzversicherung besteht. Sprechen Sie uns an. Die telefonische Erstberatung ist kostenlos.

 

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