Der Mehrwert in aufgehobenen und abgerechneten Lebensversicherungen: Der Bundesgerichtshof maßregelt 2012 Lebensversicherer in Urteilen IV ZR 201 und 202/10

„Kostenlos“ beraten worden und Lebensversicherung abgeschlossen? Die Beratungsleistung ihres Versicherungsvertreters oder –maklers wurde dennoch von ihnen bezahlt, weil hierfür die ersten Prämienzahlungen verwendet wurden. Dies steht im berüchtigten Kleingedruckten des Versicherungsscheines. Deswegen sind die Rückkaufswerte bei aufgelösten Lebensversicherungen in den ersten zehn Jahren nach Vertragsschluss kleiner als die eingezahlten Summen – Gelder für Abschlussprämien wurden klauselgemäß abgeführt und verwendet.

Das ist branchenüblich flächendeckend bei allen Lebensversicherungen passiert und seit Jahrzehnten aus Sicht der Versicherungswirtschaft bewährt. Nach diesen Urteilen jedoch, müssen Lebensversicherungskonzerne bundesweit mit Rückzahlungen in Höhe von rund 12 Mrd. € rechnen. Sie befassen sich mit dem Thema Stornoabzug, Zeitwert und Zillmerung bei vorzeitig aufgelösten Lebensversicherungen, nachdem bereits seit 2001, 2005 und 2006 hierzu Entscheidungen ergangen sind:

1. BGH v. 9.05.2001 in Az.: IV ZR 121/00 und 138/99
Klauseln zur Berechnung der Rückkaufswerte unterliegen der Transparenzkontrolle nach AGB-Recht, auch wenn sie den Gesetzeswortlaut wiedergeben. Das Gericht formuliert, dass es Warnhinweise für den Fall einer vorzeitigen Vertragsbeendigung geben müssen zusammen mit tabellenartiger Berechnung der Rückkaufswerte in Abhängigkeit zum Jahr der vorzeitigen Vertragsauflösung.

2. BGH v. 12.10.2005 in Az.: IV ZR 162/03

Als Sanktion für festgestellte und weiterhin bestehende Intransparenz gleicher Klauseln wurde Mindestrückkaufswert festgelegt: 50% des ungezillmerten Deckungskapitals statt Zeitwert, da ersteres nach klaren bewährten Regeln berechenbar ist. Betroffen sind Verträge von Ende 1994 bis Ende 2001.

3. BVerfG v. 15.02.2006 in Az.: 1 BvR 1317/96

Mindestrückkaufswerte nach BGH durch Richterrecht sind grundrechtlich (Art. 2Abs.1 und 14 Abs.1GG für Ziel der Vermögensbildung) geboten, da aktuelle Gesetzeslage unzureichend.

4. Reform des Versicherungsvertragsgesetzes ab 1.01.2008 VVG
Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben für Mindestrückkaufswerte in §169 Abs.3 S.1 VVG neuer Fassung für Verteilung der Abschlusskosten auf fünf Jahre für Verträge ab 1.01.2008.

5. BGH v. 25.07.2012 IV ZR 201/10 (Deutscher Ring) und v. 17.10.2012 IV ZR 202/10 (Generali)
Vertragsbedingungen zur Verrechnung der Abschlusskosten mit den eingezahlten Prämien unwirksam. Stornoabschlag generell unwirksam. Mindestrückkaufswerte bestätigt. Mittelbare Wirkung dieser Urteile für all diejenigen Versicherungsnehmern mit gleichen Klausel bei anderen Versicherern und direkte und gesetzlich bindende Wirkung für Versicherungsnehmer von Deutscher Ring oder Generali nach §11 Abs.2 UKlG. Verträge von Ende 2001 bis Ende 2007 sind betroffen. Statt des unzulässigen Zillmerungsverfahrens müssten gesetzliche Regelungen anzuwenden sein. Diese gibt es nicht für Altverträge vor VVG-Reform. Daher ist zwischen der 50% Regel und neuer gesetzlicher Regelung des §169 Abs.3 VVG zu entscheiden. Da BGH im Jahre 2005 entsprechende der erwarteten aber ausgebliebenen gesetzlichen Regelung entschied wäre es nur konsequent die aktuelle Regelung des §169 Abs. 3 VVG neuer Fassung analog anzuwenden.

6. Verjährung / Kosten anwaltlicher Hilfe

Grundlagen für einen „Nachschlag“ beim jeweiligen Versicherer sind deren Abrechnungen. Gingen diese 2009 dem Versicherungsnehmer zu, verjähren die Ansprüche dieses Jahr.
Erfolgshonorarvereinbarungen mit uns Rechtschutzzusage verhelfen zu wirtschaftlichen Ergebnissen. Bitte übermitteln Sie uns daher Ihre Police samt Abrechnung.
Jens Reime - Anwalt für Bank- & Kapitalmarktrecht

Rechtsanwalt Jens Reime
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