Nach Kündigung erfolgt Prämienauszahlung

OLG Köln vom 12.06.2015 – 20 U 199/14

Der Fall:

Der Kläger fordert von der Beklagten (Versicherer) die Auszahlung des Rückkaufswerts einer Lebensversicherung. Die damalige Arbeitgeberin des Klägers, als Versicherungsnehmerin, hatte für diesen bei der Beklagten eine Lebensversicherung als Direktversicherung im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge abgeschlossen, wobei der Kläger unwiderruflich bezugsberechtigt war.

Es war vereinbart, dass die Versicherungsnehmereigenschaft auf den Kläger übergeht, falls und sobald er vor Eintritt des Versicherungsfalls aus dem Dienst der Versicherungsnehmerin ausscheidet.

Der Kläger forderte die Beklagte wegen langjähriger Krankheit und daraus resultierender wirtschaftlicher Notlage zur Auszahlung der Versicherungssumme auf. Die Versicherungsnehmerin erklärte im selben Schreiben ihr "Einverständnis zu der Kündigung". Die Beklagte bestätigte die Kündigung und teilte mit, dass sich zum Kündigungstermin ein bestimmter Rückkaufswert ergebe.

Sodann "widersprach" die Versicherungsnehmerin der Kündigung, woraufhin die Beklagte ihr und dem Kläger mitteilte, dass die Versicherung fortgeführt werde. In der Folge kündigte die Versicherungsnehmerin die streitgegenständliche Versicherung

Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Versicherungsnehmerin, daraufhin informierte diese die Beklagte über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Die Beklagte teilte dem Kläger mit, dass wegen § 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG eine Auszahlung des Rückkaufswerts nicht erfolgen könne.

Die Entscheidung:

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 176 VVG a.F. in Verbindung mit § 4 Abs. 3, 4 der AVB. Nach § 176 Abs. 1 VVG a.F. hat der Versicherer den Rückkaufswert zu erstatten, wenn die Versicherung durch Kündigung aufgehoben wird.

Begründung:

Dem Grunde nach steht dem Kläger dieser Anspruch gegen die Beklagte bereits aufgrund der ersten Kündigung des Lebensversicherungsvertrags zu.

Die Versicherungsnehmerin erklärte ihre Zustimmung zu der vom Kläger formulierten Kündigung erklärt. Dies wird als rechtswirksame, seitens der Versicherungsnehmerin erfolgte Kündigung gewertet. Inhaltlich erfordert eine Kündigungserklärung, dass der Versicherungsnehmer unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass er sich vom Vertrag lösen will. Die Versicherungsnehmerin hat zwar die Kündigung nicht ausdrücklich selbst erklärt, ihre Erklärung, sie sei mit der Kündigung einverstanden, spiegelt aber ihren eindeutigen Willen zur Beendigung des Vertrages wider und ist aus Sicht eines objektiven Betrachters nach §§ 133, 157 BGB als eigene Kündigungserklärung auszulegen. So ist sie offenbar auch von der Beklagten verstanden worden.

Dass die Kündigungserklärung rechtlich der Versicherungsnehmerin und nicht dem Kläger zuzurechnen ist, ändert nichts daran, dass mit erfolgten Zugang der Kündigungserklärung bei der Beklagten der Anspruch des Klägers auf Auszahlung des Rückkaufswerts nebst Überschussbeteiligung entstanden ist.

Die Kündigung des Vertrages durch die Versicherungsnehmerin hat den Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswerts ausgelöst. Dieser Anspruch konnte dem Kläger ohne seine Mitwirkung weder einseitig durch die Versicherungsnehmerin noch durch diese gemeinschaftlich mit der Beklagten wieder entzogen werden.

Eine rechtswirksam erklärte Kündigung, bei der es sich um eine rechtsgestaltende Willenserklärung handelt, kann nicht einseitig zurückgenommen oder widerrufen werden. Das liegt allerdings daran, dass eine volle Dispositionsbefugnis über den Vertrag, wie sie der Versicherungsnehmerin vor der Vertragskündigung trotz des dem Kläger eingeräumten unwiderruflichen Bezugsrechts zugestanden hatte, nach der Kündigung nicht mehr gegeben war. Die rechtsgestaltende - vertragsbeendende - Wirkung der von ihr erklärten Kündigung betraf auch die Rechtsstellung der Versicherungsnehmerin.

Grundsätzlich ist zwar richtig, dass nach einer wirksam erklärten Kündigung sich eine Wiederherstellung des ursprünglichen Versicherungsvertrags erreichen lässt, wenn die Vertragsparteien eine entsprechende Vereinbarung treffen. In der Erklärung der Rücknahme oder des Widerrufs der Kündigung durch die Versicherungsnehmerin ist ein Angebot zur Fortsetzung des ursprünglichen Vertragsverhältnisses zu sehen, das der Annahme bedarf, die aber vom Versicherer auch konkludent erklärt werden kann. Was für den Regelfall eines zweiseitigen Versicherungsvertrags gilt, dessen Kündigung - wie deren Aufhebung - unmittelbare Rechtswirkungen nur zwischen den Vertragsparteien entfaltet, gilt nicht ebenso, wenn wie vorliegend durch die Kündigung eines Lebensversicherungsvertrags der Anspruch eines Dritten - hier des Klägers - auf den Rückkaufswert ausgelöst worden ist. Vereinbaren in einem solchen Fall Versicherungsnehmer und Versicherer ohne Einbeziehung des bezugsberechtigten Dritten nach rechtswirksam erfolgter Kündigungserklärung die Fortsetzung des Versicherungsvertrags mit der Folge, dass der Auszahlungsanspruch des Dritten zu dem durch die Kündigung bestimmten Zeitpunkt entfällt, so liegt darin ein Vertrag zulasten Dritter, der dem geltenden Vertragsrecht grundsätzlich fremd ist.

Die Beklagte hatte eine Wiederaufnahme des Vertrages nicht zugestimmt. Folglich hätte die Beklagte dem Kläger den Rückkaufswert einschließlich Überschussbeteiligung auszahlen müssen…

Die zeitlich nachfolgende Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Kündigung des Versicherungsvertrages durch die Versicherungsnehmerin führen zu keinem abweichenden Ergebnis.

Dem steht nicht entgegen, dass nach § 2 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. Satz 4 BetrAVG der Rückkaufwert aufgrund einer Kündigung des Versicherungsvertrags von ausgeschiedenen Arbeitnehmer nicht in Anspruch genommen werden kann. Vom Wortlaut her scheint die Bestimmung vorliegend einschlägig zu sein, denn der Rückkaufswert wäre aufgrund der zuletzt ausgesprochenen erst nach dem Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis mit der Versicherungsnehmerin fällig geworden.

Sinn und Zweck der Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 5 BetrAVG sprechen aber dagegen, dessen Rechtsfolgen auch dann eintreten zu lassen, wenn die Kündigung des Versicherungsvertrags noch während des bestehenden Arbeitsverhältnisses zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer ausgesprochen wird. Während des bestehenden Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitgeber, der zur Erfüllung einer arbeitsrechtlichen Versorgungszusage eine Direktversicherung abgeschlossen hat, grundsätzlich nicht gehindert, die Versicherung zu kündigen mit der Folge, dass der Rückkaufswert an den Berechtigten (den Versicherungsnehmer oder den unwiderruflich Bezugsberechtigten) auszukehren ist. Die Auszahlungssperre des § 2 Abs. 2 Satz 5 BetrAVG verfolgt demgegenüber den Zweck, denjenigen Arbeitnehmer an der alsbaldigen Realisierung des Rückkaufswerts zu hindern, dem im Zuge des Ausscheidens anstelle der arbeitsrechtlichen Versorgungszusage die Versicherungsleistung zugewandt wurde, was in aller Regel durch die - auch hier vereinbarte - Übertragung der Versicherungsnehmerstellung geschieht. Damit ist allerdings dem Arbeitnehmer eine überschießende Rechtsmacht eingeräumt, die es ihm ermöglichen würde, aufgrund einer ihm als Versicherungsnehmer nunmehr möglichen Kündigung den Rückkaufswert für eigene Zwecke zu realisieren. § 2 Abs. 2 Satz 5 BetrAVG will das verhindern. Ebenso wie Satz 4 des § 2 Abs. 2 BetrAVG richtet sich Satz 5 mithin an den ausgeschiedenen Arbeitnehmer, der durch Verfügungsverbote und die Untersagung der Geltendmachung des Rückkaufswerts nach Kündigung daran gehindert werden sollte, den beabsichtigten Versorgungszweck zu unterlaufen. Demgemäß löst eine Kündigung, die noch vom Arbeitgeber während seiner Stellung als Versicherungsnehmer ausgesprochen wird, die Rechtsfolgen des § 2 Abs. 2 Satz 5 BetrAVG grundsätzlich nicht aus. Das gilt auch dann, wenn die Kündigung im Zuge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen wird und der Rückkaufswert erst nach dessen Ende fällig wird.

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